Zi Ran Men Qigong – Spontanes Qigong Von Ulla Althans Zi Ran Men Qigong ist eine traditionelle Qigong-Form, in der freies Bewegen in eigenständiger Weise gelehrt wird. Unwillkürliche, natürliche Bewegungen werden mittels Qi-Übertragung angeregt und ausgelöst, es werden keine Bewegungsabläufe vorgegeben. Eine wesentliche Bedeutung hat in dieser Form die Rezitation eines buddhistischen Mantras. Dem Bewegen folgen Übungen in Ruhe. Diese stille Phase fördert das Vermehren von Qi, es unterstützt die innere Reinigung und stärkt die Organe. Zi Ran Men Qigong dient der Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen, es verbessert das allgemeine Wohlbefinden, bringt uns in Kontakt mit uns und der kosmischen Kraft. Spontanes Qigong zählt zum Formenkreis des Neigong (inneres Qigong), mit Teilen aus dem Donggong bzw. Zifagong und dem Jinggong, also dem Bewegten und dem Stillen Qigong, sowie dem therapeutischen Qigong. Die Form ist leicht zu erlernen, die Basisübungen werden in jeder Unterrichtseinheit weitgehend wiederholt, so dass selbstständiges Üben bald möglich ist. Individuelle Bedürfnisse und Natürlichkeit haben im Spontanen Qigong oberste Priorität. Geschichtliche Entwicklung Die historische Entwicklung von Zi Ran Men Qigong basiert auf den Ideen der Quan-Zhen-Lehre. Der daoistische Meister Wang Chong Yang gründete im Jahr 1167 n. Chr. diese Lehre, in der er Inhalte aus Daoismus, Buddhismus und Konfuzianismus vereinte. Ein Zitat des Meisters lautet: „Wer sein Herz rein hält und sich frei von Begierden macht, kann jeder der Lehren folgen. Die Richtung ist die gleiche.“ Aus der Quan-Zhen-Lehre entstand unter anderem die Long-Men-Schule. Kaiser Jia Jin (Ming-Dynastie) gründete auf ihren Wurzeln die Jin-Shan-Schule. Er ernannte seinen daoistischen Meister, Sun Xian Jing, zum himmlischen Beschützer des Kaiserreichs. Auf Befehl des Kaisers sollte dieser alle hervorragenden Meister aller Schulen im südlichen Teil des kaiserlichen Palastes zusammenbringen und sie gemeinsam praktizieren lassen. So begegneten sich Vertreter aus Daoismus, Buddhismus, Konfuzianismus, der Medizin und den Kampfkünsten. Meister Sun bildete daraus das „Jin Shan Zi Ran Men Südliches Palast Qigong“ und unterrichtete alle dem Kaiser nahe stehenden Personen. Heutzutage wird die Form „Zi Ran Men Qigong“ genannt, übersetzt als „Spontanes Qigong“. (Das gesamte Wissen wurde traditionsgemäß immer nur auf einen Meister übertragen. Heutiger Linienhalter in der sechsten Generation ist Dr. Zhang Zhengbin aus Chengdu/VR China. Loslassen – Bewegen - Heilen In einer zu Beginn des Unterrichts angebotenen Gesprächsrunde können die TeilnehmerInnen ihr aktuelles Befinden mitteilen, wonach der Unterricht individuell angepasst wird und neue Inhalte vorgestellt werden. Es wird betont, dass jeder Mensche ein immenses, natürliches Selbstheilungspotenzial in sich trägt. Die bewusst gefasste Absicht ist dafür erster Schritt, das freie Bewegen die erfahrbare Umsetzung. Dieser Prozess ist individuell und nicht vorhersehbar. Der praktische Teil beginnt stehend. Zur Erleichterung von Ankommen und Loslassen dient eine Übung der Körperwahrnehmung und Entspannung. Die Augen bleiben dabei und auch während des gesamten Übungsablaufs geschlossen. Initial wirkt die Qi-Übertragung auf alle Übenden. Damit wird der körpereigene Qi-Fluss angeregt und intensiviert – das Bewegen kann beginnen. Das Mantra „Om Mani Peme Hung“ wird im Stillen ständig wiederholt und ist im Hintergrund mit der Rezitation tibetischer Mönche vom Band zu hören. Es fördert die Konzentration, schützt Körper und Geist und wirkt als Träger der universellen Energie. Abhängig vom Entspannungszustand, von der Fähigkeit, sich fallen zu lassen und Erwartungen ziehen zu lassen, werden Bewegungsimpulse wahrgenommen. Während man ihnen nachgibt, stellt man sich vor, wie Energie in den Scheitelpunkt Baihui einströmt und auf der Bahn des „Kleinen himmlischen Kreislaufs“ weiterfließt. Anschließend lässt man sich vom Qi im Verlauf des „Großen himmlischen Kreislaufs“ einhüllen und bewegen. Im Folgenden lenkt man die Aufmerksamkeit auf schmerzende Bereiche des Körpers. Das kranke Qi soll mit der Rezitation des Mantras aus dem Körper hinausgeschickt werden. Zur Unterstützung dieses Vorgangs werden die betroffenen Körperbereiche von der/dem Lehrerin/Lehrer beklopft. Der letzte Teil der Bewegungsphase ist freies Bewegen, ohne bestimmte Lenkung der Aufmerksamkeit. Bedürfnissen, andere Bewegungskünste zu praktizieren, darf jetzt nachgegeben werden. So können Taijiquan, Kampfkunst, Yoga oder Tanz in Verbindung mit Qigong umgesetzt werden. Bewegungsimpulse werden aus dem Inneren kommen; das Qi und das Mantra leiten den Ablauf. Das Ende der Bewegung wird durch das Shougong, die Abschlussübung, gesetzt. Im breitbeinigen Stand mit nach innen gerichteten Fußspitzen müssen nun bei geöffneten Augen alle eventuell noch auftretenden Impulse kontrolliert werden. Dieser Entschluss muss ganz klar getroffen werden. Massage und Beklopfen auf Kopf und Nacken fördern das Öffnen der Sinne und machen die Leitbahnen durchgängig. Zuletzt speichert man die Energie von Himmel und Erde im unteren Dantian. Was kann in der Bewegungsphase entstehen? Während der ersten beiden Teile können schlängelnde Bewegungen von Rumpf und Wirbelsäule in der Vertikalen auftreten. Die Abläufe werden durch die Visualisierung der Kreisläufe provoziert. Treten andere Impulse auf, darf und soll diesen nachgegeben werden. Das individuelle Geschehen hat immer Vorrang, egal ob es der Aufgabenstellung entspricht oder nicht. Alles, was der Körper äußern will, ist erlaubt. Das gilt ebenso für die Atmung, der keine besondere Beachtung geschenkt wird, für Töne und Laute, die nach außen drängen, und für frei werdende Emotionen. Auftreten kann das gesamte Bewegungspotenzial unserer großen und kleinen Gelenke, in unterschiedlicher Kombination, Geschwindigkeit und mit mehr oder weniger Muskeleinsatz. Kleine, langsame Bewegungsabläufe können in Erscheinung treten, wie auch ein Zittern, sich Schütteln, sich auf dem Boden Winden oder sich Schlängeln. Das Spektrum kann bis hin zu heftigen, dynamischen Bewegungen reichen, zu kräftigem Stampfen, sich im Kreis Drehen oder durch den Raum Hüpfen. Während man sich auf schmerzende Stellen konzentriert, ist es möglich, dass sich dieser Körperteil heftiger bewegt, man die Stelle beklopft und sich ohne Absicht neue Bewegungsausmaße einstellen. Im letzten Teil der Bewegungsphase können bisher erlernte Bewegungskünste in neuer Geschmeidigkeit und Leichtigkeit erfahren werden. Bewegungsabläufe aus anderen asiatischen Körperkünsten können in Erscheinung treten, ohne dass man vorher Kenntnis von ihnen hatte. Die stille Phase Im Sitzen oder Stehen werden Übungen gelehrt, in denen wir mit Visualisierung und Vorstellungskraft arbeiten. Eine innere reinigende Wirkung kann dadurch erzielt werden, dass man sich einen imaginären Wasserfall, der den gesamten Körper wie eine innere „Dusche“ durchfließt, vorstellt. Schwerpunkte dieser Phase sind stärkende Sammelübungen. Dabei wird imaginäres Licht an den wichtigsten Körperzentren und -punkten aufgenommen und im unteren Dantian gesammelt. Zu den weiteren Übungen der stillen Phase zählen das direkte Aufnehmen von Energie aus der Natur, zum Beispiel von Sonnen- oder Mondlicht, sowie Übungen, die unsere Sensibilität für Qi in den Händen verbessern oder das Aussenden und Aufnehmen von Qi lehren. Mit langer Übungserfahrung und gut entwickelter Sensibilität kann man die Anwendung des Spontanen Qigong in der Therapie erlernen. Übungsempfehlungen Selbstständiges Praktizieren wird erlaubt, wenn die oder der Übende im Unterricht in der Lage ist, allein aus dem Entspannungszustand (Rujing-Zustand) zu gelangen. Ist dies nicht eindeutig möglich, das heißt, jemand verharrt in einer Art Trance-Zustand, helfen energieregulierende Maßnahmen, die Person ins volle Bewusstsein zurückzubringen. Die Übungen im Sitzen können sofort nach der ersten Unterrichtsstunde allein geübt werden. Tägliches Üben ist wie bei allen Qigong-Richtungen von entscheidender Bedeutung, was Wirkung, Vertiefung und das Weiterkommen betrifft. Es werden Empfehlungen zu Tageszeit, Dauer und Auswahl der Übungen gegeben; das eigene individuelle Bedürfnis ist aber letztlich entscheidendes Kriterium. Im Alltag können parallel zu einfachen Tätigkeiten oder sportlicher Aktivität Qi-Sammelübungen praktiziert werden. Folgende Prinzipien von Laozi gelten als wegweisend: „Der Mensch folgt der Natur, die Natur dem Dao und das Dao sich selbst” und „Im Wuwei, dem Nichthandeln, liegt alles Tun“. Natürlichkeit und Spontanität gelten als leitendes Prinzip für den Übungsprozess sowie für Leben und Denken. Sich zurück zu den Wurzeln zu bewegen, die Selbstvergessenheit des Kindes in uns wieder zu entdecken und darin neue Lebendigkeit zu spüren sind Ziele von Zi Ran Men Qigong. Im Loslassen von festgelegten Gedankenmustern, Bewertungsmaßstäben und Lebensvorstellungen liegt der Schlüssel zum Wuwei und letztlich auch zum Dao. Das Herz sollte ruhig bleiben, man lernt, eine neutrale Betrachterposition zum eigenen Ich einzunehmen. Achtsames Verhalten im Umgang mit unseren Mitmenschen und im Umgang mit der Methode wird vom Lernenden erwartet. Die Wirkung Wie alle Qigong-Richtungen hat Zi Ran Men Qigong eine entspannende, stressmindernde, ausgleichende Wirkung. Die spontanen Bewegungen wirken auf somatischer und psycho-emotionaler Ebene befreiend, reinigend und erfrischend. Blockaden auf den Leitbahnen lösen sich, wodurch Heilprozesse in Gang kommen. Schmerzen reduzieren sich oder verschwinden. In langer Praxis kann man körperliche und geistige Flexibilität erreichen sowie seine Abwehrkraft und Ausdauer stärken. Qigong entfaltet geistige und künstlerische Fähigkeiten, es wirkt weitreichend in alle Lebensbereiche. Sensibilität und Intuition verfeinern sich bis hin zu differenzierter Qi-Wahrnehmung im eigenen Körper und bei anderen Lebewesen. Oft erreicht man deutliche Fortschritte in anderen Bewegungsformen, ungeachtet ob es sich um asiatische Körperkünste oder sportliche Disziplinen handelt. Die Qigong-Praxis führt uns letztendlich zu tiefgründiger Weisheit und zur Harmonie von Körper, Geist und Universum. Somit kann Spontanes Qigong auch als Weg der eigenen spirituellen Entwicklung verstanden werden. Persönliche Voraussetzungen zum Erlernen der Methode Es sind keine Vorerfahrungen mit Qigong notwendig. Parallel zum Spontanen Qigong können andere Qigong-Formen praktiziert werden. Menschen mit Epilepsie, schweren psychotischen Erkrankungen oder geistiger Behinderung sollen die Form nicht erlernen. Schwere Erkrankungen müssen zuerst mit anderen Methoden behandelt werden. Die Interessenten dürfen nicht die Absicht haben, Qigong zur Schädigung anderer einzusetzen. Die Bewegungsphase sollte bei Bluthochdruck, Glaukom oder Schwindel nicht ausgeführt werden, ebenso wenig bei erheblicher körperlicher Schwäche und während der Menstruation. Kinder sollten die Form nicht ausüben. Der Zugang zu dieser Qigong-Richtung fällt all denen leicht, die Freude an freiem Bewegen, an freiem Tanz oder Improvisation haben. Auch wer ganz unbedarft und ohne Qigong-Vorerfahrung Spontanes Qigong kennen lernt, macht meist bald interessante Körpererfahrungen. Diejenigen, die Mühe haben, sich fallen zu lassen, brauchen oft mehrere Übungsmöglichkeiten, um nicht gesteuertes Bewegen erfahren zu können. Keine Qigong-Form ist für jeden Menschen in gleicher Weise ansprechend, deshalb sollte man die Schnupperangebote wahrnehmen, um die passende Richtung für sich zu finden. |
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